In Vectorworks gibt es manche Kapitel, die man aufschlägt, an denen man scheitert und die man zuschlägt, um sie nie wieder anzuschauen. Ein solches Kapitel ist für viele die Georeferenzierung. Projektlagen kurz vor der afrikanischen Küste, am Brandenburger Tor oder irgendwo sonst, nur nicht am richtigen Ort. Planungen die plötzlich verschwinden oder sich über tausende Kilometer erstrecken. Fehlermeldungen, falsche Darstellungen, … Das kennen viele die sich an der Georeferenzierung versucht haben. Das Kapitel zuzuschlagen wäre jedoch fatal, denn der Mehrwert durch georeferenziertes Arbeiten ist gigantisch und mit nur wenigen Einstellungen verfügbar.
Warum Georeferenzieren?
Seit 2009 besteht die Verpflichtung öffentliche Vermessungsdaten frei zugänglich zu machen. Zwischenzeitlich ist diese Vorgabe bundesweit gut umgesetzt. Alle Bundesländer bieten umfangreiche Karten und Daten in verschiedenen Portalen zum direkten und kostenfreien Download. Beim georeferenzierten Arbeiten bieten diese Daten für jede Projektphase einen hohen Mehrwert.
Mit georeferenzierten Luftbildern, vektorisierten Katasterplänen oder sogar Höhendaten aus Rasterbefliegungen, entsteht mit wenigen Mausklicks eine solide Planungsgrundlage. Vermesserdaten müssen nicht mehr rotiert und geschoben werden, sondern landen per Drag & Drop lagegerecht in der Planung. Karten zu verschiedensten Themen wie Umwelt, Verkehr, Hochwasser, usw. liefern wertvolle Informationen.

Auch über den Import hinaus bietet die Georeferenzierung einen Mehrwert, legt sie doch eine verbindliche Verortung des Projekts und damit für den Datenaustausch fest. Selbstverständlich können auch in georeferenzierten Projekten weitere Projektnullpunkte oder -orientierungen, für den Austausch mit anderen Planern oder für BIM-Projekte definiert werden.
Wie Georeferenzieren?
In den letzten Jahren wurden die Werkzeuge und Abläufe rund um das georeferenzierte Arbeiten in Vectorworks kontinuierlich weiterentwickelt. Viele Falltüren wurden geschlossen, Werkzeuge eingeführt und verbessert. Zwischenzeitlich sind (fast) keine Wünsche an die Entwickler offengeblieben. Über das Schulungskonzept Deutschland gibt es zudem einen klaren und funktionierenden Workflow für georeferenziertes Arbeiten. Zeit dieses Kapitel noch einmal aufzuschlagen.
Für die georeferenzierte Arbeit in Vectorworks gilt es drei Punkte zu beachten:
1. Korrekt eingestelltes Lagebezugsystem
2. Konstruktionsebenen auf Georeferenzierung einstellen
3. Lage und Orientierung des Vectorworks-Nullpunkts anpassen
Für eine korrekte Georeferenzierung genügt der Import einer Shapedatei z. B. mit Flurstücksgrenzen. Vectorworks erkennt automatisch das Lagebezugsystem der Importdatei, und kann dieses auf das Projekt übertragen.
Alternativ kann das Lagebezugsystem in den Dokumenteinstellungen zu Georeferenzierung auch manuell eingestellt werden. Der EPSG-Code für das auf nahezu der gesamten Breite Deutschlands gültige UTM32 lautet 25832.
Für die Konstruktionsebenen bietet Vectorworks die Wahl, ob diese sich an der Georeferenzierung orientieren oder nicht. Bei allen Ebenen mit georeferenzierten Daten (üblicherweise alle), muss in der Organisation die Georeferenzierung aktiviert/angehakt werden (Hinweis: Die Umstellung geht auch mit Mehrfachauswahl).
Die Lage und Orientierung des Vectorworksnullpunkts ist eine der letzten Falltüren, die beim georeferenzierten Arbeiten in Vectorworks verblieben ist. Der Projektreferenzpunkt (seit Version 2025) ist hierbei ein großer Schritt in die richtige Richtung, scheint mir aber noch ein paar Kinderkrankheiten zu haben.
Zunächst einmal gilt es die voreingestellte Lage und Orientierung des Vectorworks-Nullpunkts in den Dokumenteinstellungen zur Georeferenzierung auszuschalten. Die hier eingestellte Lage des Nullpunkts am Brandenburger Tor, generiert zwar ein Geobild auch ohne Georeferenzierung. Das ist aber fachlich vollkommen sinnleer und führt lediglich zu Problemen bei wirklich georeferenziertem Arbeiten.

Des Weiteren ist es für ein zügiges und störungsfreies Arbeiten wichtig, den Vectorworks-Nullpunkt (den Nullpunkt aller Programm-Berechnungen) nahe an die Planung zu legen. Dabei ist sowohl eine freie Platzierung in Projektnähe wie auch die Verwendung des Vectorworksnullpunkts als Projekt-/BIM-Nullpunkt möglich. Aktuell empfiehlt sich die Lagebestimmung des Vectorworksnullpunkts über das Werkzeug Geolokalisieren oder die Einstellungen der Georeferenzierung. Diese Vorgehensweisen werden absehbar durch das Werkzeug „Projektreferenzpunkt“ abgelöst und vereinfacht.
Tipps für die Praxis
Wer sich etwas Zeit nimmt und in den Geoportalen der Länder oder des Bundes stöbert, wird von den unglaublichen Datenmengen schnell begeistert sein. Shape-Dateien oder georeferenzierte Luftbilder lassen sich einfach per Drag & Drop in die Zeichnung ziehen. Punktkoordinaten importiert man unkompliziert über „Import Aufmaß/Koordinaten“.
Bei manchen Themen bietet sich aufgrund des Formats oder Umfangs der Daten ein kurzer Umweg über Drittsoftware an. Geländemodelldaten werden zum Teil als GeoTiff zur Verfügung gestellt, ein Format welches Vectorworks (noch?) nicht verarbeitet. Mit der freien Software QGIS lässt sich dieses Format nicht nur in für Vectorworks verwertbare Koordinaten umwandeln. Es ist auch möglich die Daten hinsichtlich Ausdehnung und Dichte zu reduzieren, um so die Datenlast in Vectorworks zu verringern.

Noch Wünsche offen?
Vectorworks bietet schon lange hervorragende Möglichkeiten für georeferenziertes Arbeiten und hat diese in der jüngeren Vergangenheit noch deutlich verbessert. Inzwischen sind fast keine Wünsche mehr offen, aber eben nur fast.
Allem voran würde ich mir wünschen, dass man die voreingestellte Verortung am Brandenburger Tor abschaltet. Die Intention beim Einschalten des Werkzeugs „Geobild“ keine Fehlermeldung sondern Berlin von oben zu sehen, ist mir bewusst. Die Verortung ist allerdings falsch und suggeriert nur eine vermeintliche Georeferenzierung. Auf dem Weg zu einer wirklichen Georeferenzierung sorgt diese Voreinstellung lediglich für Probleme und Frust.
Kleinere Denkfehler gibt es überdies noch bei verschiedenen Importen. Georeferenzierte Importe orientieren sich mitunter am Vectorworksnullpunkt, auch wenn dieser nicht mehr der am Ursprung der Georeferenzierung liegt. Insgesamt scheint mir angeraten dem Ursprung des Lagebezugssystems eine höhere Bedeutung beizumessen. Dieser Punkt sollte dauerhaft als Benutzernullpunkt zur Verfügung stehen. Auch Rotationen oder Änderungen der Orientierung wären unabhängig vom Vectorworksnullpunkt mit dem Ursprung des Lagebezugsystems nachvollziehbarer und reversibel.
Fazit
Vectorworks bietet alle Möglichkeiten georeferenziert zu arbeiten. Der Mehrwert, der sich hinsichtlich verfügbarer Daten und Datenaustausch ergibt ist gigantisch. Ein Kapitel das sich aufzuschlagen lohnt!